Dienstleistungsrichtlinie: Fauler Kompromiss für das Herkunftslandprinzip
25.11.2005
Das Herkunftslandprinzip, wie es im ursprünglichen Kommissionsvorschlag vorgesehen ist, soll nach dem Willen der Mehrheit im Binnenmarktausschuss fast unverändert übernommen werden. So heißt es im Text: "Bei der Erbringung einer Dienstleistung unterliegen sie (diese d. Red.) ausschließlich den Bestimmungen des Mitgliedstaats der Niederlassung in Bezug auf den Zugang zu Dienstleistungstätigkeiten und deren Ausübung, die insbesondere die Anforderungen in Bezug auf die Niederlassung und die Tätigkeit der Dienstleistungserbringer, das Verhalten der Dienstleistungserbringer, die Qualität oder den Inhalt der Dienstleistung sowie die Normen und Zertifizierungen betreffen". Lediglich in besonderen Fällen "aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit oder zum Schutz der Volksgesundheit oder der Umwelt im Hinblick auf die Vorbeugung gegen besondere Risiken an dem Ort, an dem die Dienstleistung erbracht wird", darf ein Mitgliedstaat nationale Anforderungen zwingend durchsetzen.
Der DGB hat sich grundsätzlich gegen das Herkunftslandprinzip ausgesprochen, weil es das Prinzip des Preiswettlaufs an die Stelle einer europäischen Politik für hohe gemeinsame Standards setzt.
Der Ausschuss-Text zum Anwendungsbereich der Richtlinie ist ungenau und lässt zahlreiche Hintertüren offen. Dienste von allgemeinem Interesse sind lediglich in enger Auslegung vom Anwendungsbereich ausgeschlossen, dabei werden nur Gesundheitsdienste und der audiovisuelle Sektor ausdrücklich hervorgehoben. Somit ist der Bereich der Bildung in weiten Bereichen der Richtlinie unterworfen, desgleichen soziale Dienste. Alle anderen Dienstleistungen unterliegen der Richtlinie, sobald "Wettbewerb vorhanden ist". Dies kommt einer Einladung zur Liberalisierung gleich.
Besonders kritisch ist, dass Leiharbeitsagenturen unter den Anwendungsbereich fallen und vom Herkunftslandprinzip profitieren. Dies ist aus Sicht des DGB völlig inakzeptabel und belegt nur, dass die Befürchtungen die Aushöhlung sozialer Standards damit einen breiten Ansatzpunkt bekommt.
Eine der wenigen positiven Änderungen, die Eingang in das Schlusspapier des Ausschusses fanden ist der Kompromissantrag der Hauptberichterstatterin E. Gebhardt, der in Artikel 1 (Zielsetzung) die wichtige Passage einführt, wonach die Richtlinie keine Präjudizierung auf Arbeitsrecht, industrielle Beziehungen, inklusive Streik und Tarifverträge sowie Auswirkungen auf die soziale Sicherungssysteme haben soll. Auch einige Verbesserungen zur Gewährleistung der nationalen Kontrollen wurden berücksichtigt. Hier ist allerdings zu bedenken, dass mit der Durchsetzung des Herkunftslandprinzips die Beherrschbarkeit solcher Kontrollen stark in Frage gestellt ist.
Insgesamt sind die Vorschläge des Binnenmarktausschusses als Freifahrschein für den ursprünglichen Kommissionsvorschlag zu werten. Wesentliche Änderungen im Sinne des Schutzes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Dienste im öffentlichen Interesse sowie des Umweltschutzes sind nicht berücksichtigt. Der DGB erwartet, dass diese Linie in der 1. Lesung im Plenum Anfang des Jahres 2006 abgelehnt wird. Entweder findet sich bis dahin noch ein Kompromiss, der das Ergebnis des Binnenmarktausschusses korrigiert, oder es kann nur noch die Rücknahme der gesamten Richtlinie gefordert werden.
(Quelle: DGB)