Entsendung von Arbeitnehmern ins europäische Ausland - Anmeldung und Registrierung
30.12.2010
Mit seinem Urteil vom 07.10.2010 (Az. C-515/08) entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass es gegen die Dienstleistungsfreiheit in Art. 56 und 57 AEUV verstößt, wenn ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union, die Entsendung von Arbeitnehmern aus einem anderen Mitgliedsstaat in sein Hoheitsgebiet derart beschränkt, dass zwingend vor Beginn der Entsendung eine Anmeldung zu erfolgen hat sowie die Erteilung einer Registrierungsnummer abgewartet werden muss und die Bekanntgabe der Nummer bis zu fünf Werktage dauern kann.
Dem Ausgangsverfahren liegt folgender Sachverhalt zu Grunde. Im Jahr 2004 wurde bei einer Kontrolle auf einer belgischen Werft durch die Aufsichtsbehörde festgestellt, dass dort 53 portugiesische Arbeitnehmer beschäftigt wurden, für die keine vorherige Entsendeanmeldung erfolgt war oder Lohnunterlagen vorgelegt werden konnten.
Nach belgischem Recht hat ein Arbeitgeber bei Entsendung von Arbeitnehmern aus einem europäischen Mitgliedsstaat nach Belgien, grundsätzlich Personaldokumente zu erstellen sowie ein sozialrechtliches Einzelkonto für jeden entsandten Arbeitnehmer zu führen. Nachdem der EuGH dazu bereits im Jahr 2002 entschied, dass diese Auflagen gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßen, wurde eine Vereinfachung der Anmeldung geschaffen. Nunmehr brauchte ein Arbeitgeber vor der Entsendung seiner Arbeitnehmer nach Belgien nur noch bestimmte Daten zu dem entsendenden Unternehmen, dem Arbeitnehmer und der Dauer der Entsendung an die belgischen Behörden übermitteln. Er musste jedoch zusätzlich auf die Erteilung einer Registrierungsnummer warten, vor deren Bekanntgabe die Entsendung nicht beginnen durfte.
Diese Vereinfachung verstößt nach Auffassung des EuGH weiterhin gegen die Dienstleistungsfreiheit, da dieses Verfahren nicht als bloße Anmeldung gelten kann. Da nämlich die Bekanntgabe der erforderlichen Informationen vor der Entsendung der Arbeitnehmer durch ihren Arbeitgeber erfolgen muss und erst nach der Prüfung durch die nationalen Behörden und Bekanntgabe der Registrierungsnummer stattfinden darf, hat dieser Prozess den Charakter eine Genehmigungsverfahrens durch die Verwaltung.
Ein nationales Verfahren, das die Erbringung von Dienstleistungen durch ein in einem anderen Mitgliedsstaat niedergelassenes Unternehmen im Inland von der Erteilung einer behördlichen Erlaubnis abhängig macht, stellt jedoch eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit dar. Ein solches Verfahren ist geeignet, wegen der für die Übersendung der Registrierungsnummer vorgesehenen Frist, die beabsichtigte Entsendung und in Folge dessen die Ausübung der Dienstleistungstätigkeit durch den Arbeitgeber zu behindern, insbesondere dann, wenn eine zügige Erbringung der betreffenden Dienstleistung geboten ist.
Ebenfalls als eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit wurde die Verpflichtung zur Bereithaltung von Kopien der Arbeits- und Personaldokumente am belgischen Arbeitsort oder vergleichbaren Stellen angesehen.
Jedoch wurde diese Auflage als gerechtfertigt eingestuft, da sie auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses -hier der Schutz der Arbeitnehmer - beruht. Um die Einhaltung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen durch die Arbeitgeber überprüfen zu können, benötigen die Behörden geeignete Dokumente, aus denen jedenfalls Beginn und Ende der Übersendung, Lohnhöhe etc. hervorgehe.
Die Bereithaltungspflicht der entsprechenden Dokumente stelle demnach keinen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit dar und kann weiterhin von den Mitgliedsstaaten bei Entsendung von europäischen Arbeitnehmern in ihr Hoheitsgebiet verlangt werden.
Inwieweit diese Entscheidung auf nationaler Ebene umgesetzt wird und insbesondere auch in anderen Mitgliedsstaaten der EU Anwendung findet, bleibt abzuwarten. Mangels Vollstreckungsmöglichkeit sind die Urteile des EuGH auf die Umsetzung durch die Mitgliedsstaaten angewiesen.
Quelle: NZA 2010, 1404 ff.