02.05.2005
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Die Entscheidung des ArbG Chemnitz, derzufolge eine betriebsbedingte Kündigung zulässig ist, um bisher mit eigenen Mitarbeitern durchgeführte Arbeiten auszulagern und an ost- oder mitteleuropäische Unternehmen zu vergeben, hat bundesweite Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Im konkreten Fall hatte das Schlachtunternehmens Gausepohl Arbeitnehmer entlassen worden und die Tätigkeiten durch ein slowakisches Subunternehmen durchführen lassen. Dieses setzte eigene Arbeitskräfte zu einem Stundenlohn von 2,50 Euro ein. Trotz der brisanten Fallkonstellation – dem Einsatz osteuropäischer Arbeitskräfte in der Fleischbranche durch ost- und mitteleuropäische Subunternehmen – ist die Entscheidung nach Einschätzung des Geschäftsführenden Direktors des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Juristenfakultät der Universität Leipzig und Vorstandsvorsitzenden des Europäischen Instituts für Zeitarbeit und Wirtschaft, Prof. Dr. Burkhard Boemke, arbeitsrechtlich nicht überraschend und juristisch wenig spektakulär.
Nach geltendem Kündigungsschutzrecht setzt die betriebsbedingte Kündigung eine unternehmerische Entscheidung voraus, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen geführt hat. Prof. Dr. Burkhard Boemke weist darauf hin, durch die höchstrichterliche Rechtsprechung sei anerkannt, dass die unternehmerische Entscheidung, „Outsourcing“ zu betreiben, also bisher mit eigenen Mitarbeitern durchgeführte Tätigkeiten nach außen zu verlagern und zukünftig über Werk- oder Dienstverträge durch andere Unternehmen durchführen zu lassen, die betriebsbedingte Kündigung der hiervon betroffenen Mitarbeiter rechtfertigt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Arbeiten zukünftig durch deutsche oder ausländische Unternehmen durchgeführt werden sollen. Die Entscheidung, an welches Unternehmen zukünftig die Arbeiten vergeben werden sollen, ist nicht Gegenstand des Kündigungssachverhalts.
Auf Grund der durch den EU-Beitritt seit dem 1. Mai 2005 grundsätzlich gewährten Dienstleistungsfreiheit sei, so Prof. Dr. Burkhard Boemke, Experte für grenzüberschreitenden Arbeitnehmereinsatz, es auch ost- und mitteleuropäischen Unternehmen gestattet, Arbeiten in Deutschland mit eigenen Mitarbeitern durchzuführen. Allerdings ist es Aufgabe der Finanzkontrolle Schwarzarbeit sowie der Behörden der Zollverwaltung zu prüfen, ob das ausländische Unternehmen echte Werk- bzw. Dienstleistungen mit eigenen Mitarbeitern erbringt oder ob nicht illegale Arbeitnehmerüberlassung betrieben wird. Steht der Werkvertrag nur auf dem Papier, führt also das ausländische Unternehmen die Arbeiten nicht selbst aus, sondern überlässt es lediglich die eigenen Mitarbeiter an das deutsche Unternehmen, dann liegt Arbeitnehmerüberlassung vor. Diese ist zwar seit dem 1. Mai 2005 auch Personaldienstleistern aus den ost- und mitteleuropäischen Beitrittsstaaten gestattet, bedarf aber der Erlaubnis nach § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Überdies bedürfen die hierbei eingesetzten mittel- und osteuropäischen Arbeitnehmer einer Arbeitserlaubnis-EU nach § 284 Sozialgesetzbuch (SGB) III.
Sollte sich herausstellen, dass die beteiligten Unternehmen unter dem Deckmantel des Werkvertrags verbotene Arbeitnehmerüberlassung betrieben haben, dann hätte dies für die beteiligten Unternehmen erhebliche Konsequenzen. Überlassen von ausländischen Arbeitnehmern ohne die erforderliche Arbeitsberechtigung stellt immer eine Ordnungswidrigkeit dar; wird – wie im vorliegenden Fall – Lohndumping betrieben machen sich beide Unternehmer strafbar. Außerdem könnten dann, so Prof. Dr. Burkhard Boemke, die betriebsbedingten Kündigungen kippen. Die Kündigung eigener Arbeitnehmer mit dem Ziel, auf den frei werdenden Arbeitsplätze Leiharbeitnehmer zu beschäftigen, stellt nach der geltenden Rechtsprechung eine unzulässige Austauschkündigung dar.
Weitere Auskünfte erteilt das Institut für Arbeits- und Sozialrecht unter 0341 – 97 35 320 oder zeitarbeit@rz.uni-leipzig.de.
(Quelle: personalorder.de)