12.09.2005
Die vielen Vorstellungsgespräche endeten im Sommer 1996 immer mit demselben Tenor: „Sie sind ein hervorragender Mann, aber leider zu alt.“ Hartmut Reinhardt war damals 53 Jahre alt und betriebsbedingt gekündigt worden. Ein Bekannter gab ihm den Tipp: „GEO-MONT Personaldienste in Oberhausen stellen auch ältere Fachkräfte ein.“ Der gelernte Sanitär- und Heizungsmonteur bekam dort seine Chance und ist seit neun Jahren als Zeitarbeitnehmer fest angestellt.
Hartmut Reinhardt ist kein Einzelfall.
Wer jenseits einer unsichtbaren und willkürlichen Altersschranke den Job verliert, hat schlechte Karten, wieder berufstätig zu werden. Das bestätigt auch das Bundesministerium für Arbeit: „Ältere Arbeitnehmer sind heute im Allgemeinen aktiver und leistungsfähiger als je zuvor. Nationale und auch internationale Studien belegen, dass es keine signifikanten Unterschiede in der Arbeitsleistung älterer und jüngerer Menschen gibt. Leistungsdifferenzen innerhalb einer Altersgruppe sind wesentlich höher als solche zwischen unterschiedlichen Altersgruppen.“ Damit sei das Vorurteil, ältere Menschen seien grundsätzlich weniger leistungsfähig, wissenschaftlich nicht haltbar. Gleichwohl sei diese Sichtweise in der Gesellschaft und den Betrieben noch weit verbreitet. Nur sehr langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass Ältere nicht in erster Linie Defizite gegenüber Jüngeren haben, sondern auch über spezifische Kompetenzen verfügen, die gerade auch für die Wirtschaft unverzichtbar sind. Diese Einschätzung bestätigt auch der Branchenverband iGZ. Aus seiner Sicht stellt Zeitarbeit einen diskriminierungsfreien Zugang zum Arbeitsmarkt dar und gibt es kein effektiveres Arbeitsmarkt-Instrument zur Wiedereingliederung älterer Erwerbsloser.
Diese Erfahrung machte auch Ratko Vasiljevic: In Kroatien war er Förster, bis er 1971 nach Deutschland reiste („Ich kam, um Vespa zu kaufen.“). Nach zwei Jahren wollte er dann wieder in seine Heimat zurückkehren – doch es kam anders. Zunächst in einem Sägewerk, anschließend in einer Metallfirma und schließlich viele Jahre bei einem großen Automobilhersteller arbeitete der heute 60jährige durchgängig, bis er Mitte der Neunziger Jahre aus betrieblichen Gründen auf die Straße gesetzt wurde. Auch eine Umschulung änderte nichts daran, dass er sich eineinhalb Jahre vergeblich um einen Job bemühte. 1999 kam er dann zur Firma hkw nach München, wo er im Jahr 2005 nach verschiedenen Einsätzen als Gießer, Lagerist und im Gerätebau in den Ruhestand verabschiedet wurde: Aus der Zeitarbeit in die Rente – auch das ist möglich und mittlerweile in Deutschland gar nicht mehr so selten.
Auch für Hartmut Reinhardt wird diese Option immer realistischer: Der 62jährige gelernte Bergmann und Sanitär- und Heizungsmonteur ist viel rumgekommen im Raum Rhein-Ruhr. Im RAG-Neubau in Essen hat er die Wasserleitungen verlegt und sanitären Anlagen angeschlossen, in Krefeld Druckluftleitungen für die Bahn gelegt und immer wieder hat er in Ratingen bei Calor Emag, das heute zur ABB AG gehört, Schaltgeräte gefertigt. „Da waren viele spannende Projekte dabei“, sagt Reinhardt. So interessant der häufige Wechsel des Einsatzortes und der jeweiligen Aufgabe auch war, heute ist der zurückhaltende Mann sehr zufrieden, dass er hauptsächlich bei ABB in Ratingen in der Division Energietechnik tätig ist und dort Baugruppen- und Einzelteile in die Schubvorrichtungen einbauen muss. Präzise Arbeit ist dabei gefragt. Genau das Richtige für Reinhardt.
(Quelle: iGZ-Magazin Z-Direkt)